Donnerstag, 18. Januar 2024

Köch mit Beamtenforelle

Weiter geht es mit Wintergemüse, dieses Mal mit einem urwienerischen Rezept, das wirklich noch fehlt hier auf dem Blog. "Gemüse Wiener Art" ist im Küchenjargon jedes Gemüse, das in einer Einbrenn-Sauce daherkommt. Solche Gemüse sind sehr oft ein Beilagengemüse zu gekochtem Rindfleisch oder Rindsschnitzeln. Zu dieser Einbrennsauce muss ich sagen, dass sich meine mit den Jahren sehr geändert hat. In meiner Kindheit war das eine richtig dicke Sauce, mit der man ein stabiles Häufchen auf dem Löffel machen konnte: Es wurde richtig viel Mehl verwendet, damit viele Leute davon satt wurden. So mag ich sie gar nicht, deswegen war diese Art von Gemüse viele Jahre aus meiner Küche verbannt. Mittlerweile nehme ich grad mal ein Löfferl Mehl und binde die Sauce damit leicht. Schon hat man eine sämige Sauce, die gerade in der Winterzeit ein angenehm molliges Gefühl im Mund hinterlässt: Was für ein feines Wohlfühlessen! 

Zur Einbrenn eine Bemerkung: Ich hab die automatisch immer mit kaltem Wasser oder Milch aus dem Kühlschrank aufgegossen, daher hab ich im Blog nie etwas dazu geschrieben, weil es für mich so eine Selbstverständlichkeit war. Das ist aber wichtig! Gießt man eine Einbrenn mit heißer Flüssigkeit auf, passiert es verdammt leicht, dass das Mehl klumpt. 

Ein Geständnis: Suppenwürfel. Ich nehme für diese Gemüse gern Suppenwürfel zum Würzen. Auch nicht so wie früher, als die Erfindung des Suppenwürfels für viele Hausfrauen eine Überlebenshilfe war, damit sie neben der 60-Stunden-Woche nicht auch noch langwierig Suppe kochen mussten, und daher in inflationärer Menge eingesetzt haben. Ich nehme eine Prise Biosuppenwürfel, also maximal ein Viertel von einem Würfel, je nach Gemüsemenge. Uns schmeckt Wiener Gemüse so am besten.

Bei uns gab es dazu eine andere, typisch österreichische Spezialität: Beamtenforelle. Der Name kommt daher, dass früher Beamte grottenschlecht bezahlt wurden und sich keine wirklichen Forellen leisten konnten, daher wurde eine Augsburger (Brät wie Knackwurst, aber nicht geräuchert) halbiert, wie Forelle eingeschnitten, mehliert und gebraten.

Und eine letzte Anmerkung: Wie immer kaufe ich meine Erdäpfel bei Bonaterra. Ich habe noch welche aus einer gelb-blauen Mischung aus speckigen Erdäpfeln verkocht, daher schauen die Erdäpfel so ungewöhnlich aus. Der hübsche lila Wirsing war aus meinem Gemüsekistel von Iris Wallner. Diese Farbe verkocht sich aber und der Köch wird normal grün. Man kann für dieses Gemüse auch Zierkohl verwenden, der sich auch ab und zu in meinem Gemüsekistel findet.


 

Für 2-3 Portionen

500 g Wirsing (Also das, was wir in Österreich als Kohl angeboten kriegen)
4-5 speckige Erdäpfel 
1 kleine Zwiebel 
2 Knoblauchzehen 
1 EL Butter 
1 EL Mehl 
1-2 EL Sauerrahm
¼ Suppenwürfel
1 EL Kümmel
Salz
Pfeffer

2 Augsburger (schwer erhältlich, ersatzweise Knackwürste)
Mehl zum Wenden
Butter zum Braten

 

Erdäpfel schälen und in serviergerechte Stücke schneiden. In Salzwasser in einem sehr großen (wichtig!) Topf ca. 10 min. kochen lassen. In dieser Zeit vom Kohl die äußeren Blätter entfernen. Strunk vom Kohl entfernen. Den Kohl erst in breite Streifen und diese dann in Stücke schneiden. Mit dem Kümmel zu den Erdäpfeln geben und alles noch weitere 5 min. kochen lassen. Danach abseihen. Ein Teil vom Kümmel verabschiedet sich dabei unten aus dem Sieb raus oder pickt im Sieb, das wollen wir bitte auch so. Der Rest bleibt einfach beim Gemüse und wird mit verarbeitet.

Zwiebel fein würfelig schneiden. Knoblauch fein hacken. Butter in einem beschichteten Topf schmelzen. Zwiebel darin glasig anrösten, den gehackten Knoblauch dazugeben und mitrösten. Zwiebel und Knoblauch nicht zu dunkel rösten, sonst werden sie bitter. Mehl mit anschwitzen, mit ca. ¼ l Wasser aufgießen. Dabei mit dem Schneebesen rühren, damit sich keine Klümpchen bilden. Die Sauce mit Salz, Pfeffer und Suppenwürfel kräftig würzen − es kommen ja noch Kohl und Erdäpfel mit rein, die durch die Sauce mit gewürzt werden wollen.

Kohl und Erdäpfel in die Sauce geben. Nun kann man mit Wasser weiter aufgießen, wenn man die Sauce dünner haben will. Ich brauche erfahrungsgemäß je nach Menge vom Kohl irgendwo zwischen ¼ und ½ Liter Wasser. Nun lässt man das Gemüse ca. 10 min. köcheln, um den Mehlgeschmack der Einbrenn zu verkochen. Am Schluss den Sauerrahm einrühren. Noch einmal abschmecken.

In dieser Zeit die Augsburger der Länge nach aufschneiden. Die gewölbte Seite entweder mit einigen schrägen Schnitten versehen (wie eine Forelle) oder über Kreuz einschneiden. Diese eingeschnittene Seite in Mehl tauchen. Butter schmelzen, die eingeschnittene Wurstseite zuerst darin goldbraun anbraten, dann wenden und die Unterseite braten.

Den nun zu Köch gewordenen Kohl mit den Erdäpfeln auf tiefen Tellern anrichten. Die Wurst drauflegen und servieren.

 

 

Wenn ich meine Beschreibung so lese, dann hab ich das Gefühl, etwas sehr Aufwändiges gekocht zu haben. Es sind zwar viele Arbeitsschritte zu machen, aber die gehen alle gut von der Hand und in weniger als einer Dreiviertel Stunde steht dieses Essen auf dem Tisch. Und es ist mit jedem Recht zu einem gern gegessenen Klassiker geworden. Was man mich nicht fragen darf: Warum dieses Essen in Wien "Köch" heißt. Auch in österreichisch-deutschen Wörterbüchern steht zwar, dass es die Wiener Variante von Wirsing ist, aber nicht, warum das so ist. Also sorry, dass ich euch mit dieser Bildungslücke allein lassen muss. Jedenfalls spricht man Köch immer mit langem Ö aus.

10 Kommentare :

  1. Nicht zu vergessen, dass Kööch in Wien auch Streit bedeutet...
    Obwohl erst Vormittag rinnt mir schon das Wasser im Mund zusammen! Ich wusste lang nicht, dass es spezielle Augsburger Wurst gibt, wir nahmen immer Knacker für die "Augsburger".

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    1. Der Radatz hat Augsburger und Knacker, falls du mal testen magst.

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  2. Sehr bodenständig und bestimmt sehr g'schmackig! Ich kenne die "Maurerforelle", kennst du die auch? Das ist eine Knacker, seitlich eingeschnitten und mit frischen Zwiebeln gefüllt. Dazu ein Semmerl - fertig ist die Jause für richtige "Hackler" ;-)
    Alles Liebe!
    Maria

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    1. Spannend! Diese Forelle kannte ich noch nicht. Danke für die Weiterbildung.

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  3. Liebe Turbohausfrau, ich denke der Ausdruck „Köch“ stammt vom Ausdruck Kelchkraut (“Köchkraut” im Dialekt). So wird bei uns der Wirsing genannt. Danke für deinen Blog, ich lese hier sehr gerne mit! Lg aus dem Waldviertel, Elisabeth

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    1. Liebe Elisabeth, das ist spannend! Ich kannte das Wort Kelchkraut gar nicht. Zwar bin ich auch aus NÖ, aber aus dem Steinfeld.
      Fein, dass dir mein Blog gefällt.

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  4. Liebe Susi,
    mit der Beamtenforelle hast du mich schön überrascht, genial, dass sie sich schließlich zur Wurst gemausert hat. Super dieses Hintergrundwissen. Dein Wirsinggemüse lässt mir das Wasser im Mund zusammen laufen.
    Liebe Grüße
    Sigrid

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    1. Das Wirsinggemüse ist auf diese Art leider nicht auf meinem Mist gewachsen, sondern ich hab nur an einem ganz typischen Rezept ein bissi herumgefeilt. Freut mich, dass ich dich überraschen konnte!

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