Montag, 20. April 2020
[Buchbesprechung] Die baltische Küche von Simon Bajada
Enthält Werbung (Rezensionsexemplar, Verlinkungen, Namensnennungen) ohne Auftrag.
Estland, Lettland, Littauen − wer weiß mehr über das Baltikum? Sehr viel weiß ich nicht, schon gar nichts über das Essen. Das heißt nun nicht, dass ich mich besonders ungeschickt anstelle, sondern es gibt wirklich nur wenige Kochbücher über diese Region. Der blinde Fleck auf der kulinarischen Landkarte wird aber nun behoben durch dieses Buch. Sehr schön fand ich die Beschreibung des DK-Verlages: Die baltische Küche ist salzig wie das Meer, holzig wie die Wälder und süß wie wilde Früchte.
Der Autor Simon Bajada ist gebürtiger Australier, ausgebildeter Koch und lebt nun in Stockholm, wo er sich der Food-Fotografie und der Rezeptentwicklung widmet. Einen kleinen Einblick in seine Fotografie findet man beim Guardian.
Das Buch ist sehr schön gemacht: Es ist ein gebundenes Buch mit Farbschnitt und Prägung, das man gern in die Hand nimmt. Die Fotos sind klar und präzise, es kugelt kein Essen in der Gegend herum, Hände und Füße auf den Essensfotos bleiben uns erspart.
Sehr schön finde ich eine Doppelseite, die die Gerüche, die Geräusche, die Farben und die Geschmäcker des Baltikums beschreibt. Das fängt so schön das Feeling ein, das mich danach durch das ganze Buch begleitet hat. Man kann einen Blick ins Buch machen und genau diese Doppelseite beim Verlag sehen.
Der Autor stellt nicht nur klassische Rezepte vor, sondern zeigt auch Neuinterpretationen. Überhaupt muss ich sagen, dass dies das farbenfroheste Essen war, das ich jemals nachgekocht habe. Das war alles nicht nur eine Gaumenfreude, sondern auch eine Freude für die Augen. Gerade an diesen nicht immer einfachen Tagen war es ein Vergnügen, wenn man so ein Essen auf den Tisch stellen kann.
Generell scheint es, als wäre die Küche des Baltikums von säuerlichen Milchprodukten geprägt: Sauermilch und Sauerrahm sind in vielen der 68 Rezepten vertreten, von Suppen bis Süßwaren sind sie in allen möglichen Gerichten. Dille ist das Würzkraut, das in vielen Gerichten zu finden ist. Die harten Winter prägen üppige Rezepte (Sauerkraut-Eintopf mit Schweinefleisch und Graupen), die frühlingshaften Gärten servieren Rhabarber-Crumble, Fisch kommt aus der Ostsee und ist in vielen Rezepten präsent. Rezepte für Brote und Backwaren aller Art sind genau wie Getränke in dem Kochbuch vertreten. Es werden keine ausgefeilten Küchentechniken benötigt, um alles nachkochen zu können, sondern die Rezepte gehen leicht von der Hand.
Die Unterschiede in den drei Küchen werden erklärt: In Estland, dem nördlichsten der drei Staaten, ist eher die "New Nordic Cuisine" vertreten. In Lettland ist der russische Einfluss präsent, in Littauen findet man viele Spuren der jüdischen Küche. Die Rezepte sind in die Kapitel "Milchprodukte", "Von der Küste", "Aus dem Garten", "Vom Bauernhof", "Backwaren", "Süßes" und "Getränke" gegliedert. Einleitende Kapitel zu den einzelnen Staaten, dem baltischen Weg und allgemeinen Anmerkungen zu den Rezepten helfen, Wissen über die baltische Küche zu vermitteln. Die Zutaten sind zum allergrößten Teil leicht erhältlich (Supermarkt), es sind einige exotische Zutaten (Birkensaftsirup, Eicheln, Kama etc.) vertreten, wo man auch mal etwas im Wald sammeln kann, was ich sehr sympathisch finde, oder im Internet bestellen muss. Die exotischen Zutaten sind hauptsächlich für das Getränke-Kapitel nötig, das ich wirklich sehr spannend gefunden habe: Eichel-Kaffee hat meine Oma noch getrunken, aber ich habe keine Ahnung, wie der schmeckt oder wie man den macht, aber das Busch schafft Abhilfe. Kwass ist ein Getränk, das man anscheinend in vielen osteuropäischen Ländern kennt, das durch Fermentation zu Sprudel wird, und das Coca Cola den Markt am Baltikum streitig macht. Also da ist viel Spannendes zu finden, das noch vor mir liegt. Alle Rezepte klingen ohne große Verrenkungen machbar.
Nachgekocht habe ich natürlich auch!
Rhabarber-Kissel
Im Leben habe ich noch kein Kissel getrunken uns es war erstaunlich, denn dieses Gertränk wird mit wenig Stärkemehl angedickt, dass es in er Konsistenz ähnlich wie Nektar ist. Spannend! Ich werde im Laufe des Sommers mit diversen Beeren weiter experimentieren.
Blattsalat mit Sauerrahm-Dressing
Eine klassische, schnelle Beilage, die mit wenigen Handgriffen gemacht ist. Mit der Dille drinnen ein wenig Abwechslung, der Rahm macht den Salat angenehm kühl.
Mohnkuchen
Sehr spannend fand ich, dass bei dem Kuchen Kardamom in den Teig kommt. Ich habe mir die Freiheit genommen, mehr Fülle zu machen, weil ich eher die Füllungs- als die Teigesserin bin. In die Mohnfülle kommen keine Rosinen, sondern gehackte Cranberries, was gut geschmeckt hat.
Optisch sehr gefallen hat mir die Art, wie der Kuchen gemacht wird: Man schneidet den Strudel quasi in Scheiben, die aber noch zusammenhängen, dann zieht man die Scheiben abwechselnd nach links und rechts. Obwohl ich bei solchen Hübschmachsachen nicht besonders geschickt bin, ist mir das mit der Anleitung im Buch gut gelungen. Ich hatte die Sorge, dass der Kuchen dadurch vielleicht trocken wird, aber war echt nicht der Fall, sondern hat auch am nächsten Tag noch gut geschmeckt.
Räucherfisch-Remoulade
Das war ein überirdisches Rezept. Der Sellerie wird in Stifte geschnitten und eingesalzen, dann wartet man eine halbe Stunde. Dadurch zieht der Sellerie Wasser und wird weicher. Ich fand diese Konsistenz perfekt! Immer noch bissfest, aber schön knackig.
Wieder kommen Sauerrahm und Dille zum Einsatz. Beide Zutaten sind mir in der Zwischenzeit sehr ans Herz gewachsen, denn so viele Einsatzmöglichkeiten dafür kannte ich bisher nicht.
Grießschnitten mit Kardamom und Orange
Eines der wunderschön farbenfrohen Gerichte aus dem Buch, ein Augenschmaus! Und durch die Aromen von Kardamom und Orange auch im Winter schön frisch. Dazu isst man filetierte Gapefruits, was dem ganzen die Lieblichkeit nimmt. Ein Dessert, wie ich es mag, also nicht zu süß und mit dem Bitteren der Grapefruit sehr elegant.
Kalte Rote Rüben-Suppe
Das war mein absolutes Highlight und daher werde ich die Suppe auch vorstellen.
Nachtrag: Radieschen-Gurkensalat mit Dille
Einmal geht's noch: Da ist nicht viel mehr dran als das, was schon der Rezepttitel verrät, nur Salz, Pfeffer, Essig, Dille. Kein Öl! Dennoch: Ein ganz schneller Salat, den man durchaus empfehlen kann. Ich kannte die Kombination Dille-Radieschen noch nicht, deshalb habe ich den Salat ausprobiert und er hat geschmeckt.
Was unterm Strich zu sagen ist: Schnappatmung! Ich habe wirklich beinahe atemlos das Buch durchgeschmökert und konnte fast nicht aufhören zu kochen. Bitte kaufen!
Noch eine schöne Rezension findet man im Standard.
Fakten zum Buch
ISBN: 978-3-8310-3952-4
Erschienen: Januar 2020
Umfang: 224 Seiten
Format: 196 x 266 mm, fester Einband
Über 100 farbige Fotos
Bestellen kann man das Buch wie immer beim Buchhändler ums Eck, direkt beim Verlag oder im Internet bei einem der vielen Buchhändler, die versenden. Für Österreich hier eine Liste der Buchhandlungen mit Online-Versand.
Die Links sind alle keine Affilate-Links.
Danke an den DK Verlag für das Rezensionsexemplar.
10 Kommentare :
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Kommentare zum Post
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Hallo,
AntwortenLöschenwie kann eine Österreicherin ein Mohnbeigel als "Kuchen" bezeichnen???
Liebe Herta,
Löschennachdem es eine Buchbesprechung ist, stehen hier die Rezeptnamen aus dem Kochbuch. Ich habe in meinem Leben einen Mohnstrudel noch nie als Bohnbeigel bezeichnet. Mohnbeugel kenne ich, das sind kleine Kipferl.
Liebe Susi, ich wäre ja sehr gespannt auf das Sellerie-Räucherfisch-Rezept.... und finde deine Schilderung ganz sympathisch, sauerrahm und Dill mag ich doch so sehr!
AntwortenLöschenLiebe Christine,
Löschenes war wirklich spannend, sich durch das Buch durchzukochen. Das Rezept kommt, aber lass mir ein bissi Zeit bitte.
den/das farbschöne Rhabarber Kissel habe ich in einer Zeitungsbeilage schon bewundert, so richtig vorstellen kann ich mir ein Getränk mit Stärkemehl nicht...
AntwortenLöschenIch hab einiges über das alte Ostpreußen gelesen, das ja bis ins heutige Littauen hinein reichte. Die Landschaft stelle ich mir sehr schön vor und die Küche bäuerlich geprägt (ich war noch nie dort). Daher danke für die Vorstellung des Buches, klingt wirklich interessant.
Liebe Friederike,
Löschendas Mundgefühl vom Kissel ist wie bei diesen dicken Fruchtnektaren. Pfirsich- oder Marillensaft wird hierzulande manchmal so angeboten.
Ich muss ja auch noch Kwass nachmachen. Das braucht noch ein bisschen Überwindung, denn Roggenbrot einweichen und vergären klingt gar nicht appetitlich.
WOW, die pinke Suppe ist ja der Burner. DK macht überhaupt tolle Kochbücher und auf die Rezepte kann man sich immer 100% verlassen, die funktionieren.
AntwortenLöschenDa hast du recht! Ein wirklich feiner Verlag ist das und die Kochbücher haben mich noch nie enttäuscht.
LöschenDU bist Schuld daran, dass ich schon wieder ein Kochbuch kaufen musste! ;-)
AntwortenLöschenDu tust mir dafür gar nicht leid. ;)
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