Darf ich euch durch ein Gartenjahr mit auf Balkonien nehmen? Es gibt dafür einen Grund: Es gibt eine Blogparade zum Thema Nachhaltigkeit. Ja, mein Hauptthema ist Essen, aber ich schreib eh immer wieder, dass ich bio kaufe. Dass ich regional und saisonal einkaufe und koche, merkt man ja sicher auch. Ich hab jetzt einmal bemerkt, dass mein Balkonien eigentlich unabsichtlich, aber erfreulicherweise schon nachhaltig bewirtschaftet wird. Ja, bewirtschaftet, denn das ganze Jahr über kommt ein Teil unseres Essen von Balkonien. Falls jemand nicht weiß, wie man so etwas am besten angeht, dann zeige ich gern, was geht und wo die Grenzen sind.
Nachhaltig heißt für mich, dass ich auch bei den Pflanzen auf solche zurückgreife, die hierzulande heimisch sind. Das heißt aber ganz sicher nicht, dass es dadurch langweilig werden muss auf dem Balkon: Bei mir blüht das ganze Jahr immer irgendetwas. Auf dem ersten Foto sieht man die Schneerosen, die sind immer die ersten im Jahr und kommen im Jänner, die Schneeglöckchen kommen im Februar, so geht es durch das ganze Gartenjahr. Auf dem zweiten Foto sieht man eine Akelei, die ist ausdauernd und kommt jeden Frühling.
Was mir mittlerweile gelungen ist: Etliche Pflanzen säen sich selber aus. Und ich bin immer wieder erstaunt, welche Überlebenskünstler bei mir wohnen. Den Koriander, der ja sehr feinblättrig ist und hier eher als exotisch angesehen wird, kann sogar im Winter beerntet werden, falls der Winter nicht streng ist. Wenn man genau schaut, sieht man auf dem Foto auch Hirschhornwegerich, der gerade aufgeht, und vorne eine noch recht kleine Pimpinelle. Und das in einem Topf, in dem gerade die Radieschen geerntet worden waren. Also ich kann nicht klagen!
Was es dazu braucht, ist vernünftige Erde. Das ist in Wien aber auch kein Problem: Gartenerde von den Wiener Mistplätzen kommt nicht vom anderen Ende der Welt wie viele Gartenerden aus dem Baumarkt oder Gartencenter, sondern ganz lokal von hier. Diese Erde ist mit Kompost aus den Biotonnen von Wien aufgedüngt. Der Preis ist ganz okay. Nach dem Winter kann man auf vielen Mistplätzen Wiens auch gratis Kompost holen und damit die erste Düngung des Jahres vornehmen, wenn man keine neue Erde verwendet, sondern wie ich so viel wie möglich von der alten weiterverwendet.
Balkon und Garten hat man nie für sich allein, das teilt man mit den Tieren, die in der Regel ohne Einladung kommen, wenn es sich nicht um ein Haustier handelt. Ich finde das zur Großteil sehr erfreulich, manchmal denk ich mir aber schon, hey, ich hab die Arbeit und ihr kommt hierher zum Gratisessen. Dieses Jahr konnte ich von meinen roten Ribiseln zum Beispiel gerade eine Hand voll ernten. Die Vögel wissen nämlich ganz genau, wann die reif sind. Die roten Ribisel wurden mit einem Schlag abgeerntet. Doch die weißen Ribiseln erkennen sie offensichtlich nicht als reif, denn die sind mir geblieben, die schwarzen werden von ihnen ebenfalls total verschmäht.
Soll bloß jemand sagen, der Anblick vom Taubenschwänzchen ist nicht schön! Dieser Falter hat ein Flugverhalten wie ein Koliobri und einen ganz langen Saugrüssel, den kann er einrollen, wenn er fliegt, bei den Blumen wird der Rüssel dann ganz lang entrollt und kann in wirklich sehr tiefe, trichterförmige Pflanzen hineinfahren, um den Nektar herauszuholen. Generell ist Lavendel überhaupt ein Magnet für alle Insekten, daher habe ich beschlossen, der gehört ganz und gar ihnen, den ernte ich nicht. Wenn er verblüht ist und nur mehr vereinzelt ein Bienchen schaut, ob es noch etwas gibt, muss der Lavendel geschnitten werden. Es kommt im Spätsommer dann eine kleine Nachblüte.
Was zur Nachhaltigkeit dazugehört: Viele der Sommerblumen haben keinen Nektar (z.B. Pelargonien) oder sind so gezüchtet, dass die Insekten nicht an ihn rankommen. So sehr ich diese Rose auch liebe, durch die vielen Blütenblätter kommen die Insekten nicht an die Pollen, für Bienen ist das komplett tote Materie. Ich schaue also darauf, dass ich nur Pflanzen kaufe, die auch Pollen anbieten. Wenn ich so etwas wie diese Rose geschenkt bekomme, freue ich mich aber trotzdem. Damit müssen die Insekten leben, dass sie nur von 90 % der Pflanzen bei uns etwas haben.
Nachdem das Garteln in Wien und erst recht das auf einem Balkon räumlich sehr begrenzt ist, sind wir mittlerweile auf die Vertikale ausgewichen: Ich habe eine Salat- und Erdbeerwand. Aus alten Blumenkisteln und Brettern hat der Turbohausmann eine tolle Konstruktion gezimmert: Die Blumenkisteln hängen schräg und können so recht dicht bepflanzt werden. Normalerweise ist immer ein Kistel frisch besät mit Salatmischungen, alles andere ist in verschiedenen Entwicklungsstadien, so können wir das ganze Jahr verschiedenste Salate ernten.
Man sollte sich die Idee abschminken, dass man bei einem noch so dicht bepflanzten Balkonien ohne zusätzlichen Gemüseeinkauf auskommen kann. Ich habe sicher zwei Drittel Nutzpflanzen, aber dennoch geht sich das nicht aus. Was ich aber schon kann, ist eine recht dichte Versorgung mit Kräutern. Dieses Jahr ist mir leider die Petersilie komplett eingegangen, die muss ich kaufen, aber alles andere habe ich in Hülle und Fülle.
Und wie kommt man zu Pflanzen? Man zieht sie selber. Das ist absolut keine Hexerei. Jetzt ist die beste Zeit, um an Saatgut zu kommen. Bei Paradeisern, Chili und Paprika nimmt man aus alten Sorten einfach Samen heraus, ich wickle sie in Papier, lasse sie trocknen und danach falte ich alles zusammen. Im Februar kommen Paprika und Chili dran, Ende März säe ich die Paradeiser. Seit 20 Jahren habe ich kleine Gewächshäuser für die Anzucht, die stehen auf den Fensterbänken, wenn die Pflanzen groß genug sind, wird vereinzelt, ab April trage ich die Pflanzen dann rein und raus zum Abhärten. Nach den Eisheiligen im Mai werden sie ausgepflanzt.
Es gibt Pflanzen, von denen habe ich keine Ahnung, wo die herkommen. Auf dem Foto oben sieht man Portulak, der wächst hier zwischen den Bodenplatten. Manchmal bemerke ich solche Pflanzen erst, wenn sie schon recht stattlich sind. Dann wird geerntet und ich kann sicher sein, im nächsten Jahr kann ich das wieder machen, ohne irgendetwas dazu zu tun.
Auch wichtig ist die Bewässerung, überhaupt in Zeiten der mit Riesenschritten nahenden Klimakatastrophe. Bei uns geschieht die Bewässerung punktgenau mit einer Gießanlage. Im Laufe der Jahre haben wir gelernt, wie viele Tropfer welche Pflanze braucht. Das bekommt sie, mehr nicht. Und manche eben gar nichts, wie zum Beispiel der Portulak.
Viele meiner Pflanzen sind mehrjährig. Meinen Minzen (s.o.) zum Beispiel reicht es, wenn ich sie alle paar Jahre aus dem Topf nehme und teile. Einfach mal schauen, ob es eine Pflanzenbörse in der Nähe gibt, dort freut sich immer jemand über einen Ableger. Und so kann man auch gratis an neue Pflanzen kommen, wenn man welche braucht. Oder man schaut im Internet nach Pflanzen-Tausch-Communities, die gibt es in Wien mittlerweile sogar in Gebietsbetreuunungen an bestimmten Tagen.
Ich bin eine, die gern erntet, wenn sie unterwegs etwas sieht. Das gilt für Obst, Wildkräuter, aber auch Saatgut. Meine Tagetes, von denen ich recht viele verschiedene habe, stammen alle von "Wildernten". Die oben habe ich, als wir auf der Schallaburg bei der Ausstellung "Der Hände Werk" waren, aus dem Garten mitgenommen. Einfach eine abgeblühte Blüte ernten und trocken. Das hat den Vorteil für die Pflanze, dass sie mehr Kraft für die kommenden Blüten hat, und schöner schaut es auch aus. Also keine Sorge, man tut da nichts Übles.
Wir haben dieses Jahr recht viele Sonnenblumen. Ich hatte ja den Verdacht, dass der Turbohausmann, der Sonnenblumen liebt und nie genug davon haben kann, mir das eine oder andere Gugucksei gelegt hat, aber mittlerweile bin ich sicher, dass die ganzen Finken, die Sonnenblumen lieben, die selber beim Ernten quasi gesät haben. Und so lieb die Finken auch sind: Ich weiß jetzt, warum das "Dreckfink" heißt. Jeden Tag, bevor ich balkongarteln darf oder draußen sitzen kann, muss ich aufkehren, weil überall die Schalen von Sonnenblumenkernen herumliegen.
Auch die Zimmerpflanzen dürfen draußen übersommern. Ganz hinten im finstersten Eck steht eine ganze Reihe an Orchideen, die ich einmal in der Woche in Wasser tauche, bis die Wurzeln sich grün gefärbt haben. Das scheint ihnen zu taugen, denn seit ich das mache, blühen sie ganz zuverlässig jeden Winter, sogar mein Frauenschuh hat schon eine Knospe angesetzt. Die kriegen ausnahmsweise im Winter drinnen Orchideendünger. Sonst wird nach Bedarf gedüngt und nur mit Hornspänen, also auch ökologisch unbedenklich. Meinen Pflanzen reicht eine monatliche Gabe von Dünger
Dass das so ausufert, damit hätten wir nicht gerechnet: Dieses Jahr haben wir wirklich ein bissi viele Sonnenblumen. Leider haben die anderen Pflanzen dann zu wenig Erde und zu wenig Licht, also werde ich nächstes Jahr dann doch mehr ausdünnen bei den vielen wilden Setzlingen, die sicher wieder aufgehen werden. Aber man lernt auch nach 20 Jahren garteln auf Balkonien noch dazu. Jedes Jahr gibt es irgendein Lehrgeld, das ich bezahle. In der Regel ist das immer ein wunderschönes Lehrgeld, daher bin ich immer wieder froh über mein Dazulernen.
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