Ich bin noch so aufgewachsen, dass Obst und Gemüse aus dem Garten verkocht wurden, Eier kamen von Omas Hendln, ab und zu hat Opa sogar einen seiner Hasen spendiert. Im Sommer wurde eingekocht, was lokal gekauft werden konnte oder in der Natur wuchs (
Dirndln zum Beispiel). Zweimal in der Woche hat mich Mama zum Bauern geschickt hat, um mit der Kanne Milch zu holen. Ehrlich gesagt fand ich das damals sehr blöd. Heute würde ich mich freuen, wenn ich so eine Möglichkeit hätte, noch von der Kuh warme Milch zu kaufen. Was mir auf jeden Fall geblieben ist: Ein ausgesprochen exklusiver Geschmack, was Milch angeht. Da macht es mir nicht bald eine recht. Aber darum geht es jetzt nicht, sondern um ein ganz spannendes Experiment: Kann man sich auch heute noch so ernähren, dass man alles nur von lokalen Produzenten kauft?
Georg Schweisfurth, gelernter Fleischhauer und Gründer einer
Biosupermarktkette (in Wien bei der U-Bahnstation Meidling gibt es eine dieser Filialen), und
Simon Tress, ein Spitzenkoch, machten sich auf den Weg, um im deutschsprachigen Raum diese Probe aufs Exempel zu machen. In einer Gruppe wurden verschiedene Orte vorgeschlagen, das Los entschied dann, wohin sie geschickt wurden. Vor Ort mussten sie im Umkreis von 15 km die Lebensmittel finden, die sie verkochen wollten.
Natürlich ist das Experiment gelungen. Extrem vielfältig sind die Rezepte sogar. Ich fand es ja sehr spannend, dass die Lebensmittel direkt ab Produzenten in den Städten ganz offensichtlich leichter erreichbar waren als am Land. Ich war bei der Buchpräsentation und die beiden Herren erzählten sehr lustige Geschichten. Zum Beispiel, als sie im Jänner nach Lech am Arlberg geschickt wurden, wo sie knietief im Schnee standen und nichts, aber auch gar nichts an frischen Lebensmitteln zu finden war. Sie mussten dann auf tiefgekühltes Fleisch und getrocknete Kräuter ausweichen.
In Wien hingegen fing die Vielfalt schon bei der Unterbringung an:
magdas-hotel ist ein Flüchtlingsprojekt und es arbeiten 14 Nationen dort. Außerdem ist es ein Vorzeigeprojekt, was Upcycling angeht: Einrichtung und Ausstattung wurden aus gebrauchten Möbeln zusammengestellt oder aus gebrauchten Materialien gebaut. Weiter geht es in diesem Stil zu den Produzenten:
Katharina Seiser führte die beiden Herrn im 17. Bezirk zu einem Demeter-Honigbauern namens
Honigstadt, wo sie - siehe da! - Honig bekamen. Am
Biohof No. 5 in Floridsdorf wurden Gemüse, Erdäpfeln, ein Hahn, Lardo, Schweineschmalz, Dinkel, Walnüsse, Eier, Wein, Wildobst und Traubensaft gekauft. Dann ging es nach Simmering zum
Feigenhof, den meine LeserInnen sicher schon seit
2012 und auch von diesem
Posting kennen. Von dort bekamen die Reisenden Kräuter und Gemüse (Salat, Yacon, Kiwanos und Kardonen).
Ein erstaunlicher Abstrich musste gemacht werden: Mit Ölmühlen schaute es traurig aus auf der Reise, daher finden sich in den Rezepten tierische Fette als Ölersatz, was ich mir schon als gewisse Herausforderung vorstelle. In meiner naiven Vorstellung steht in Österreich an jedem Eck eine Ölmühle - denkste!
Salz war das Einzige, was mit auf die elf Reisen (eine pro Monat, ein Monat Sommerpause) genommen wurde.
Dieses Buch, das im
Südwest-Verlag erschienen ist, nimmt einen auf sehr unterhaltsame Weise mit auf die Reisen: es ist mehr als ein Reisebuch, mehr als ein Kochbuch, mehr als eine Aufzählung von Bezugsquellen und mehr als ein Nur-Lese-Buch. Daher nahm ich mir auch die Freiheit, dieses Mal mehr als sonst über das Buch an sich zu schreiben und nur ein Rezept nachzukochen - natürlich mit lokalen Produkten und das saisonal. Dass die Gerichte aber gut schmecken, kann ich von der Buchpräsentation berichten, bei der die BesucherInnen mit Leckereien, die nach den vorgestellten Rezepten gekocht wurden, verwöhnt wurden.
Was zu den Rezepten im Buch zu sagen ist: Wer nun denkt, man muss, wenn man etwas nachkochen will, alles mit tierischen Fetten machen, der irrt. Es sind immer die Öle angegeben, die man für das jeweilige Rezept verwenden kann. Mir als Einmal-Pro-Woche-Fleischesserin kommt vor, dass die meisten Rezepte recht fleischlastig sind. Ganz herausstechend sind da die Heilbronn-Rezepte, wo nur pflanzliche Produkte verwendet wurden (und somit kein Fett, weil offensichtlich auch in Deutschland nicht an jedem Eck eine Ölmühle steht). Es ist also tatsächlich für jeden Geschmack etwas dabei, selbst für vegane Abnehmwillige.
Mir hat das Buch wirklich gut gefallen. Es ist kurzweilig geschrieben, nett bebildert, die Rezepte sind klar gegliedert. Man merkt einfach, wie viel Freude Herr Tress und Herr Schweisfurth an dieser Herausforderung hatten. Von mir eine klare Empfehlung für das Buch!
Joghurt mit Radieschensprossen und Dreierlei von der Erdbeere
Danke an den
Südwest-Verlag, der mir ein Exemplar des Buches für die Rezension zur Verfügung gestellt hat.