Schön langsam wird das zur Gewohnheit, dass ich alles und jedes verkosten muss. Es ist aber wirklich immer wieder spannend! Ich war wieder einmal sehr erstaunt, welches Geschmacksspektrum etwas so Einfaches wie Joghurt haben kann.
Bei diesem Tasting war es das Ziel, die Bandbreite zu zeigen, und nicht, einen Sieger zu küren. Das Setting war wie bei vielen Verkostungen auch im Blindverfahren. Im Gegensatz zu unserer Bio-Schinken-Verkostung war das Verblinden natürlich einfach, denn in der Farbe unterscheiden sich Naturjoghurts nur wenig. Wenig! Hätte man mich vorher gefragt, dann hätte ich gesagt, die schauen farblich alle gleich aus. Tatsächlich sind minimale Farbabweichungen schon zu sehen, dies unabhängig von den Tieren, von denen das Joghurt stammt. Natürlich unterscheiden sich Joghurts in der Konsistenz, was man sieht: von rinnend, sogar tröpfelnd bis "steht auf dem Löffel" und schnittfest findet man alles.
Mein großes Aha-Erlebnis: Die Konsistenz ist nicht unbedingt von der Fettmenge abhängig. Robert Paget war bei der Verkostung dabei und hat uns sehr viel Interessantes erzählt: Vom Brot hat es sich herumgesprochen, dass Inhaltsstoffe unter einer gewissen Geringfügigkeitsgrenze nicht deklariert werden müssen. Vom Joghurt wusste ich das nicht, hätte es mir aber denken können. Backpulver, Stärke und viele andere Stoffe können eingesetzt werden, um Joghurt anzudicken. Herausschmecken kann man das nicht.
Es war eine Dame von Ja!Natürlich anwesend, die berichtet hat, dass bei ihrer Marke sehr viel Wert darauf gelegt wird, dass Joghurt nur aus Milch und deren Bestandteilen besteht, zugesetzt werden lediglich Joghurtkulturen. Es ist allgemein so, dass der Spielraum für Beimischungen bei Bioprodukten weit kleiner ist als bei Nicht-Bio-Lebensmitteln, daher soll das nicht rüberkommen wie: Kauft Joghurt nur mehr von dieser einen Marke.
Generell ist Joghurt ein Lebensmittel, das eine verdammt gute Ausbeute bietet: 1 l Milch ergibt 1 l Joghurt. Das ist auch der Grund, warum die Supermarktregale gar so gut mit Joghurtprodukten gefüllt sind. Man kann dieses Lebensmittel ohne große Verluste wie z. B. bei Wurst oder Käse herstellen und es abwandeln, wie man gerade lustig ist.
Zur üblichen Herstellung: Milch wird auf 90 Grad erhitzt (bei H-Milch entfällt dieser Vorgang), sie wird wieder auf 40 Grad abgekühlt, mit Joghurtkulturen (z. B. Zugabe von Joghurt oder in Pulverform) geimpft, 6 - 8 Stunden auf dieser Temperatur gehalten, fertig ist das Joghurt.
Nun aber zum Tasting: Wie sich das für ein Tasting gehört, standen Wasser und Brot am Tisch. Dies deshalb, um zwischen den einzelnen Proben den Mund reinigen zu können.
Anfangs bekamen wir verblindet zwei einprozentige Joghurts zum Verkosten, die sich für mich im Geschmack nur so unterschieden, dass das eine nicht so säuerlich schmeckte wie das andere. Nachher erfuhren wir den Grund: das nicht so säuerliche war laktosefrei. Und schon wieder habe ich etwas gelernt: Laktose kann man in Lebensmitteln so zum Verschwinden bringen, dass sie in Zucker umgewandelt wird.
Die nächste Verkostungsgruppe von drei Joghurts unterschied sich, wie wir im Nachhinein erfahren durften, durch den Fettgehalt. Von 3,6 % aufwärts wurden diese Joghurts immer geschmacksintensiver. Fett ist Geschmacksträger! Immer wieder ist es spannend, das erleben zu können.
Wir haben auch Joghurts aus Schafmilch verkostet. Für mich war nicht erkennbar, welche anderen Tiere das nun sein sollten, die ich da schmecke. "Geböckelt" (unnettes Wiener Wort für Geschmack nach Schaf oder Ziege) haben beide Joghurts, aber hätte mir jemand gesagt, das sei Ziege gewesen, hätte ich es genau so geglaubt. Das ist auch der Grund, warum ich für Labneh gern Schaf- oder Ziegenjoghurt nehme, denn zum Salat schmeckt mir das sehr gut. Im Müsli oder für meine selbst gemachten Fruchtjoghurts nehme ich die nicht gern.
Spannend war es zu sehen, wie die Konsistenz von Joghurt ausschaut, wenn die Milch nicht auf 90 Grad erhitzt wurde: Das tröpfelt richtig, also bindet nicht so ab wie anderes Joghurt.
Herr Paget hatte zwei Joghurts aus eigener Herstellung mitgebracht. Er berichtete, dass entgegen der herkömmlichen Meinung, dass Joghurt so toll für den Darm sei, es sich dabei um eine Mär aus der Werbung handelt. Er hat aber in Zusammenarbeit mit Ärzten ein Joghurt entwickelt, dem er auch Kolostralmilch zugesetzt. Dieses wird nun zum medizinischen Einsatz getestet.
Das zweite seiner Joghurts hat bei mir sofort den Reflex "Urlaub" hervorgerufen. Kein Wunder! Wir waren im letzten Jahr auf Sri Lanka, wo am Straßenrand Joghurt aus der Milch von Wasserbüffeln verkauft wurde. Und das sind dann die Gelegenheiten, wo ich stolz auf meinen Geschmackssinn bin, denn nach einem kleinen Löfferl von dem ebenfalls verblindeten Joghurt wusste ich, dass das Wasserbüffeljoghurt sein muss.
Kaufen kann man übrigens keines der Joghurts von Herrn Paget. Schade! Hätte ich mir doch gern ab und zu den Urlaub wieder ins Haus geholt.
Ich hoffe, es interessiert euch ein bissi, wenn ich so etwas schreibe. Persönlich finde ich es unglaublich spannend, immer wieder Neues über Lebensmittel zu lernen. Gerade bei Verkostungen lerne ich jedes Mal eine Menge! Solche Gelegenheiten werde ich sicher wieder nutzen.
Deine Ausführungen sind sehr interessant, für mich vor allem, weil ich Joghurt selber mache.
AntwortenLöschenGerade eben musste ich wieder einmal ganz neu ansetzen, denn nach einiger Zeit des ständigen Impfens mit einem Löffelchen der letzten Produktion können sich Geschmack und Konsistenz verändern.
«... aus Milch und deren Bestandteilen», wie oben erwähnt, schliesst wohl die Beigabe von Milchpulver mit ein, damit wird Joghurt nämlich auch stichfest (so mache ich es jedenfalls)!
Danke für diese Exkursion in die Joghurt-Vielfalt!
Freut mich, dass es dich interessiert hat.
LöschenJa, Milchpulver und diverse mechanische oder chemische Verfahren sind da wohl eingeschlossen. Was alles gemacht wird, erfährt man als Außenstehende gar nicht.
Ich finde Deinen Blog immer interessant, und es ist einfach gut, wenn man aufgeklärt wird, was den Lebensmitteln alles so absolut still und heimlich beigemischt werden darf. Man sollte eigentlich viel lauter werden! Danke für alles!
AntwortenLöschenElke aus Ostfildern
Liebe Elke, danke für dein liebes Feedback! So etwas spornt an zum Weitermachen.
LöschenSo war es auch gemeint. Auch wenn ich bisher anonym war, lese ich Deinen Blog ständig. Und irgendwann muss ich auch mal wieder nach Wien.
LöschenLiebe Grüsse,
Elke