Montag, 3. April 2017
[Buchbesprechung] Bier - kochen, kombinieren, genießen
In meinen jungen Jahren war Biertrinken eigentlich ein No Go. Das war das Getränk der Bauarbeiter, gerade noch okay beim Grillen, aber "schön" war es eher, wenn man Wein trank. Ich fand Bier immer schon okay, aber so arg begeistert hat es mich auch nicht. In den letzten Jahren ist Bier zu einem richtigen Modegetränk geworden. Und ich wurde erst in Prag angefixt, als wir in einem kleinen Bierlokal waren, in dem es über 50 Biersorten aus kleinen, lokalen Brauereien gab. Der Barkeeper schaute mich an und wusste sofort, was er mir für ein Bier zum Kosten geben musste: Das schmeckte nach Bananen!
Schön langsam komme ich drauf, wie viele verschiedene Geschmacksrichtungen es bei Bier gibt. Um mich näher mit der Thematik zu befassen, schaute ich mir das Buch Bier aus dem Prestel-Verlag näher an.
Auf den ersten Blick ist es minimalistisch im Gegensatz zu anderen Büchern zu dem Thema, allerdings ist mir sofort ins Auge gestochen, dass es kein reines Kochbuch ist, sondern richtig ausführlich rund um das Thema Bier berichtet. 224 stolze Seiten berichten Vom Wesen des Bieres, über Bierstile, Bierkulinarische Traditionen, Bierkulinarik heute, Gut kombiniert, Bier-Köche & ihre Rezepte, Was passt wozu? bis zu Ultimativen Gastro-Tipps (Österreich ist leider nur mit einem einzigen Lokal, der Friesacher Einkehr in Salzburg vertreten) rund um den Globus.
Der Autor, Stephen Beaumont, ist seit fast 20 Jahren ein Bier- und Getränkespezialist, schreibt für viele Zeitungen und Zeitschriften, hat schon einige Bücher verfasst und ist auch im Internet präsent: World of Beer und Beaumont Drinks sind zwei seiner Websites.
Den Buchausschnitt links kann man durch Anclicken vergrößern. Er zeigt einen kleinen Querschnitt über die detaillierten Kombinationsvorschläge von Bier und Essen. Es werden aber auch Kombinationen von Kochtechniken und Bier beschrieben: kein hopfenbetontes Bier beim Frittieren zum Beispiel, da solche Biere bitter sind und ein bitterer Backteig schmeckt nicht. Zu dunkles Bier würde zu einem unansehnlichen Ergebnis führen, daher wird körperarmes Lager, das normalerweise stark kohlensäurehaltig ist, empfohlen.
Fotos gibt es auch, eine ganze Menge! Bieretiketten, Bierlokale, Rohstoffe, Köche und schlussendlich Essen. Zu meiner Freude ohne Spitzendeckchen. Es liegt kein Essen in der Gegend verstreut, auch Bier ist keines verschüttet. Die Fotos sind klar, nicht zu dunkel. Im Anhang dankt der Verlag den Brauereien auf der ganzen Welt für das Zusenden von Fotos ihrer Biere, das heißt, es gibt sehr viele verschiedene Fotografen, die hier etwas beigetragen haben. Hut ab vor der Person, die die Fotos zusammengestellt hat, denn diese wirken in keiner Weise zusammengewürfelt.
Ich weiß gar nicht, wie ich dieses geballte Wissen hier überhaupt zusammenfassen könnte. Stephen Beaumont berichtet auch über Wasser, verschiedene Hefesorten und was sie bewirken, Malz natürlich ebenso, die vielen Bierstile, die sich entwickelt haben, schlanke Weizenbiere und dunkle, süße, malzbetonte Biere, Gewürzbiere und nicht zuletzt auch über KöchInnen, die sich das Kochen mit Bier bzw. die Kombinationen ihrer Gerichte mit Bier besonders zu Herzen genommen haben.
Da ich nicht einmal annähernd einen Teil des Wissens wiedergeben kann, das ich in dem Buch gefunden habe, werde ich mich nun dem Part widmen, den ich beherrsche, dem Kochen. Mit Bier natürlich. Und den entsprechenden Bierempfehlungen aus dem Buch. Ich konnte mir bei keinem der Gerichte so wirklich vorstellen, wie das Endergebnis sein wird und war bei allen sehr angenehm überrascht.
Ich muss gestehen, dass ich in keinem Fall alle Rezepte nachkochen hätte können. Das liegt teilweise an den Zutaten, die ich nicht bekommen könnte, teilweise an Kochtechniken, die ich nicht beherrsche - über Hopfendolden geräucherter Lachs ist so ein Beispiel: Ich habe keine Bezugsquelle für Hopfendolden und keinen Tischräucherofen. Die Rezepte sind je nach Koch durchaus auch für in Mengen angegeben, die für ein Lokal reichen (in Bier geschmorter Schweinebauch mit Cajun-Gewürzkruste wird für 18 Portionen gezeigt). Der Großteil der Rezepte klingt aber wirklich gut nachkochbar und es stehen noch etliche auf meiner To Do-Liste.
Schokokuchen mit Roten Rüben und Stout
Ja, das kann man tatsächlich essen! Sehr gut sogar. Rote Rüben und Schoko als Kombination kannte ich, dass das auch noch mit Bier dazu super geht, das war mir neu.
Im Kochbuch haben mich zuerst die Fotos angesprochen, auf denen eine verführerische Creme auf dem Kuchen beeindruckt, jedoch ist diese vermeintliche Creme bei mir eine feste Glasur geworden. Macht nix, war nämlich sehr gut!
Getränkeempfehlung: Imperial Stout oder ein würziger, spritziger Weizenbock - beide haben genug Charakter, um sich neben dem gehaltvollen Kuchen behaupten zu können.
Muscheln in Kokosnuss-Bier-Sauce
Das hat schon wieder so abenteuerlich geklungen, dass ich es nachkochen musste. Chili, Melanzani, Erbsen und Koriander waren drinnen, als Bier ein Weizenbier belgischer Brauart. Es war eines der besten Muschelgerichte, die ich kenne. Weil es uns beiden so gut geschmeckt hat, stelle ich das Rezept später noch genauer vor.
Getränkeempfehlung: Mildes, hopfiges Kölsch, das der Sauce die Schärfe nimmt, aber den Muschelgeschmack nicht überdeckt.
Ochsenschwanzsuppe mit Graupen
Das war noch zu Wintertemperaturen und da hat dieses Rezept hervorragend gepasst. Ich war ja sehr gespannt, ob das Stout, das in der Suppe drinnen war, die Graupen braun färbt. Ein bisschen schon, aber eher so die Nuance von Fregola Sarda, also sehr appetitlich. Bei uns war es recht wenig Flüssigkeit, also eher ein Eintopf als eine Suppe, aber da kann man sehr leicht Abhilfe schaffen in Form von noch mehr Bier.
Getränkeempfehlung: Smoked Porter, kellertemperiert. Passt dann für mich auch besser zu einem Eintopf als zu einer Suppe, aber ich bin eben keine wahre Bierkennerin.
Fazit: Das Buch ist sehr gut! Man sollte sich aber kein Kochbuch erwarten, das nur aus Rezepten besteht. Es ist das richtige Buch, wenn man mehr über Bier lernen will. Der Turbohausmann, der sich ein bisschen besser mit Bier auskennt, hat das Buch auch mit Begeisterung gelesen und war erstaunt, was es alles zu wissen gibt.
Hard Facts: 29,95 [D], € 30,80 [A]; Verlag: Prestel, Autor: Stephen Beaumont
Gebundenes Buch, Pappband, 250 farbige Abbildungen; ISBN: 978-3-7913-8286-9; Erscheinungsdatum: 03.10.201
Danke an den Prestel-Verlag, der mir das Buch zur Rezension zur Verfügung gestellt hat.
8 Kommentare :
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Kommentare zum Post
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Sehr interessant! Ich bin ja wie du kein Biertrinker, ich bin beim Wein daheim, den man auch verkochen kann.
AntwortenLöschenVor kurzem hat mir die Petra von Oberstrifft Sahne als monatlichen Gastbeitrag ein Schwarzbiergulasch in den Blog gestellt..und als sie bei mir war, hat sie das auch für uns gekocht und das war sehr köstlich!
Ansonsten gibt's jegliches Bier bei uns nur wenn Gäste kommen,..ggg
lg. Sina
Ahhh, ich brauch eh noch ein Rezept für das letzte Fleisch vom Steiner. Da eile ich gleich und schau mir das Rezept bei dir an.
LöschenIch weiß, dass du deine Gäste gut versorgst. 😎
Super, das kommt mir wie gerufen als Geschenk, um einen Bier-Schnaps aufs trefflichste zu ergänzen. Vielen dank!
AntwortenLöschenEinen Bier-Schnaps? Nun machst du mich neugierig.
LöschenZum und vom Bier könnt ich auch ein Lied singen ... letztes Jahr wurde das bayerische Reinheitsgebot 500 Jahre alt und wir haben dazu eine Sonderausstellung im Museum gemacht (http://www.museumsdorf.com/das-dorf/bier-und-wirtshauskultur.html) ... mir kam die Ehre zuteil, alle 78 aktiven Brauereien Niederbayerns zu besuchen um jeweils eine Flasche Bier für die Ausstellung zu erbitten ;) ... kannst dir sicher denken wie das Spaß gemacht hat und seitdem schmeckt mir auch das eine oder andere Pils ;)
AntwortenLöschenGekocht wird in Bayern schon immer mit Bier; im Schweinsbraten, in manchen Würsten und sogar in süßen Teigen wird Bier z.B. als Treibmittel eingesetzt.
Also, die Bayern und das Bier ein nie endendes Kapitel ...
In diesem Sinne:
Hopfen und Malz - Gott erhalst!
Gruß Doris
Danke für den Link, da gehe ich sofort stöbern! 78 Brauereien ist ja nicht gerade wenig. Ich glaube, Deutschland liegt noch ein wenig vor Österreich im Bierverbrauch pro Kopf.
LöschenTheoretisch wird in Österreich auch viel mit Bier gekocht, aber praktisch habe ich das bis jetzt nicht gemacht, was ich aber ändern werde.
Toll, dass man Nier nicht nur trinken kann, sondern auch leckere Gerichte zaubern kann :). Vielen Dank für Deinen Beitrag, das ist wirklich sehr Interessant
AntwortenLöschenJa, man kann auch damit kochen.
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