Montag, 11. April 2016
[Buchbesprechung] Hayas Küche
In Wien gibt es seit vielen Jahren das neni am Naschmarkt, wo man unkomplizierte orientalisch-mediterran-israelische Küche inmitten des Markttreibens essen kann. Das ist eine richtige Institution geworden. Die Gründerin ist Haya Molcho und das Lokal ist nach den Anfangsbuchstaben der Vornamen ihrer Söhne benannt. Ich habe sie schon einmal auf einem Blogger-Event von Ikea beim Kochen erlebt und sie ist wirklich eine Erscheinung. Zu sehen ist sie zum Beispiel in diesem Video, in dem man einen kleinen Vorgeschmack auf die Energie, die sie ausstrahlt, bekommt. Nun hat sie schon ihr fünftes Kochbuch im Südwest-Verlag veröffentlicht - so nebenbei, während sie ein Imperium an Lokalen mit Catering und Kochschule aufgebaut hat.
Der Verlag war nun so nett, mir das Kochbuch zur Rezension anzubieten. Haya lächelt so freundlich, wie ich sie kennengelernt habe, vom Buch, das mit dem Einband, der gelb wie Hayas Foodtruck ist. Erinnert ein wenig an Sonnenblumen, diese Farbe, sehr gelungen! Gewöhnungsbedürftig war für mich, dass der Einband aus dicker Pappe gemacht ist, aber auch das passt ins Gesamtbild vom "Familiengroßunternehmen Haya Molcho" - unkompliziert und schlicht.
Für Wiener sehr schön: Haya stellt ihre Bezugsquellen vor, die großteils am Naschmarkt vertreten sind. Aber nicht nur. Unser Paradeiserpapst, der Stekovics, wird vorgestellt, ebenso der geniale Robert Paget, der wunderbaren Käse macht. Entsprechend ist der Umgang mit den Produkten: Man hat nie das Gefühl, da wird einfach nur irgendetwas genommen, sondern die Produkte werden immer sehr überlegt eingesetzt.
Im Rezeptteil finden sich über 65 Rezepte, die in "Frühstück & Snacks", "Salate & Suppen", "Hauptspeisen" und "Desserts"gegliedert sind. Auch hier wieder pro Kapitel ein Sohn - das Konzept Familie wird also hier konsequent durchgezogen. Die Rezepte sind alle leicht nachzukochen, dabei sehr fantasievoll und zeigen von viel Experimentierfreude. Man sollte aber nicht glauben, da seien nun keine komplexen Rezepte dabei! Es ist immer gut, die Rezepte vorher gründlich zu lesen, damit man dann beim Kochen nicht ins Trudeln gerät. Wer noch kein Kochbuch von Haya Molcho hat: Wie sie kocht, erinnert ein wenig an Ottolenghi, was aber kein Wunder ist, da beide denselben Kulturhintergrund haben.
Was mir gefällt: Die Rezepte sind sehr gemüselastig. Wenn mit Fisch oder Fleisch gekocht wird, dann sind das nicht Filets, sondern zum Beispiel ein ganzes Hendl oder ausgelöste Hendlhaxen. So mag ich das! Im Glossar findet sich auch eine Aufstellung über den Umgang mit den Produkten (Lagerung, Konservierung, Verträglichkeiten, Reifegrade bzw. Frische). Die Rezepte sind in der Regel auf vier Personen ausgelegt, aber durchaus auch einmal mehr Personen, was ich sehr fein finde, weil wir öfter Gäste zum Essen habe, so kann ich gleich auf die entsprechenden Rezepte zugreifen.
Es gibt zwei Inhaltsverzeichnisse, einmal nach Kapiteln gegliedert, außerdem noch ein alphabetisches, also findet man sich gut im Buch zurecht. Und weil ich es nicht lassen kann: Ich vermisse ein Bändchen, besser ein paar Bändchen.
Die Fotos sind klar, freundlich, hell, es kugelt kein Essen herum, sondern das ist dort, wo es hingehört, nämlich am Teller, in der Pfanne, Schüssel etc. Ebenso schön sind die Fotos von den Menschen. Gleich das erste Foto zeigt Familie Molcho und Freunde an einem gedeckten Tisch im Garten - da möchte man sich sehr gern dazusetzen! Natürlich ist Haya Molcho oft zu sehen, wie sie kocht; man sieht sie nicht nur auf Fotos, sondern auch auf Zeichnungen, genau so die Söhne, auch ihren Mann Samy.
Und was ich nachgekocht habe? Viel! Ich konnte eigentlich gar nicht aufhören, nach diesem Kochbuch zu kochen, weil die Rezepte gelingsicher sind und eines besser als das andere schmeckt.
Haferlocken-Rote Rüben-Müsli
Das ist so ein Rezept, von dem ich dachte: Hä? Das kann man essen? Also akuter Nachkochreflex! Und das hat geschmeckt!
Ich werde das Rezept noch genauer vorstellen, weil es so typisch ist: ungewöhnlich, gelingsicher, aber sehr komplex bei den Zutaten. Und diese Vielfalt schmeckt man einfach.
Muhammara
(Syrischer Paprika-Nuss-Aufstrich)
Hier wird nicht einfach alles gemixt, wie ich das in vielen Muhammara-Rezepten schon gesehen habe. Da werden erst die Paprikaschoten geröstet und geschält, was diesen Aufstrich gleich noch einmal geschmacksintensiver und bekömmlich macht.
Karamellisierte Ananas
Wieder so etwas, von dem ich mich frage, bitte wieso komme ich nicht auf so tolle Ideen? Das schmeckt! Es ist zwar schon ein Zeitaufwand, denn die Ananas schmort eineinhalb Stunden im Rohr, dabei muss sie immer wieder übergossen werden, aber das Ergebnis ist umwerfend gut. Vanille, Orange und Limette geben der Ananas zusätzlich viel Aroma.
Bauernbrot
Ein unkompliziertes No Knead-Bread, das im Topf gebacken wird. Erfreulich wenig Hefe, dafür sehr lange Gehzeiten (12 Stunden im Kühlschrank, 5 Stunden bei Zimmertemperatur) garantieren viel Geschmack.
Der Umgang mit dem Teig ist nicht ganz einfach, weil es erstens eine große Menge ist (aus 800 g Mehl) und der Teig, wie das bei einem No Knead Breat so ist, sehr feucht ist. Das Ergebnis ist aber toll.
Kebab
Eine raffinierte Mischung an Gewürzen bringt viel Geschmack, viel Fett eine schöne Bindung der kleinen faschierten Fleischbällchen. Dazu gegrilltes Gemüse, alles serviert mit Tahina.
Wie im Urlaub in der Türkei habe ich mich gefühlt beim Essen!
Was es noch zu sagen gibt? Wenn man orientalisch angehauchte Gerichte mag, ist man mit diesem Kochbuch bestens bedient. Es wird einmal quer durch alles gekocht, was das Herz begehrt. Und es schmeckt immer nach Urlaub!
Lust auf mehr Rezensionen über dieses Buch?
Frankfurter Kochbuchrezensentin
Haushalt.de
Carpe Gusta
Wo man es bekommt? Ganz einfach: Buchhändler vor Ort! Könnt ihr euch erinnern? ;)
Online-Bezugsquelle in Deutschland: Randomhouse
Online-Bezugsquelle in Österreich: Der Buchhändler
Beide liefern ohne Versandkosten!
Die Links sind durchwegs keine Affilate-Links.
14 Kommentare :
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Da muss ich auch mal einen Blick ins Buch werfen, auch wenn das Soll für dieses Halbjahr schon erfüllt ist... Und so einen Teller mit Kebab *träum-seufz*
AntwortenLöschenMan kann nie genug Kochbücher haben. ;)
LöschenDu bringst mich echt ins Trudeln mit Deiner Rezension. Ich finde Haya Molcho grundsympathisch und ihre Ideen echt schön. Aber das Vorgängerbuch fand ich von der Umsetzung her so schlecht, dass ich dieses Buch gemieden habe. Und jetzt frage ich mich, ob ich vielleicht doch sollte....
AntwortenLöschenDas Buch ist wirklich toll!
LöschenNe.....ich lass das mal. Mir sitzt das letzte irgendwie noch zu tief. Mein Highlight war...Temperatur von Frittieröl testen, indem man Wasser draufspritzt. Und ich habe ja auch schon ein orientalisches Kochbuch ��
LöschenJessas! Na das geht gar nicht!
LöschenAber das ist kein Einzelfall, denn ich habe gestern Artischocken frittiert, da wird nicht nur einmal geschrieben, man soll mit dem Blumenspritzerl die Artischocken mit Wasser einsprühen, dann wird das besser. Na im Leben nicht.
Orientalisch ist einfach mit am Besten! ich greif zur Zeit öfter auf meine entsprechenden Bücher zurück. Und nein, ich kauf mir kein Neues, nein nein nein.
AntwortenLöschenSag niemals nie. ;)
LöschenInteressante Rezension! Gibt es in dem Buch auch Hintergrundinfos zu den Gerichten, bzgl. Herkunft usw.? Woher stammt Haya?
AntwortenLöschenHaya stammt aus Israel. Es sind keine klassischen Rezepte, sondern es ist Fusion-Küche. Haya hat alle ihre Lokale in Österreich und Deutschland, also sind die Rezepte unserem Geschmack angepasst.
LöschenLiebe Susi,
AntwortenLöschentoll geschrieben Deine Rezession und super was Du schon FEINES daraus gezaubert hast.
Ich kam auch an dem Buch nicht vorbei und finde es auch sehr ansprechend, genau wie Haya selbst.
Dir eine schöne Woche und liebe Grüße
Ingrid
Ah, das freut mich, dass ich nicht allein bin! Aber es würde mich wundern, wenn ich das wäre, denn das Buch ist wirklich gut.
LöschenDanke für die Rezension, bin schon auf dem Weg in die Bücherhalle. :-)
AntwortenLöschenDieses Kochbuch sollte man echt genau anschauen. Ich bin immer noch ganz angetan.
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