Kann sich noch jemand an Schaschlik erinnern? Das ist ja eigentlich arg retro und ich hatte aus guten Gründen so etwas schon ewig nicht mehr gegessen. Weil nämlich: Das waren bei uns daheim diese Spieße, wo man wild durcheinander Fleisch diverser Sorten, Speck, Zwiebel und Paprikastücke gesteckt hat, ab damit auf den Grill, wenn der Paprika anbrennt, der Speck verbrannt und das Fleisch je nach Sorte halb roh bis tot gebraten war, kam das Machwerk auf den Teller. Meine Erinnerung daran war also durchwachsen. Dann lachte mich gleich ein ganzes Buch namens
Schaschlik aus dem
Stocker-Verlag an. Ich dachte, wie kann man über so etwas bitte ein ganzes Buch schreiben. Siehe da: Man kann. Und wie!
Der Autor
Stalic Chankischijew ist russischer Kochbuch-Bestseller-Autor und der Mann weiß offensichtlich wirklich, worüber er da schreibt. Anfangs war ich mir gar nicht so sicher, ob das Buch und ich Freunde werden würden, denn der Autor grillt alles auf einem Mangal, einem rechteckigen Grill, der Einstecköffnungen für Grillspieße hat - was heißt Grillspieße! Der Mann nimmt teilweise Monstrümmer, die richtige Schwerter sind. Aber meine Sorge war unbegründet, denn man kann alle Rezepte sehr gut auf einem ganz normalen Grill (wir haben einen Kugelgrill) und mit bei uns üblichen Grillspießen machen. Und gefangen hat mich der Herr Stalic dann mit dem Satz: "Ich werde mich Ihnen niemals als Lehrer aufdrängen - ich bin Ihr Gesprächspartner." Und wirklich ist das Buch frei von jedem Dünkel und jeder Besserwisserei.
Und weil ich gerade geschrieben habe: Rezepte. Es gibt keine Rezepte im eigentlichen Sinn in dem Buch. Es sind Herangehensweisen beschrieben, zum Teil sogar recht genau. Wenn man aber ein Rezept braucht, in dem haargenau beschrieben wird, dass man hier nur englisches Maldon Salz nehmen darf, ansonsten wird das ganze Essen nix, ist mit dem Buch nicht gut bedient. Es lässt nämlich Spielraum, was ich gern mag. Durch die recht genaue Beschreibung, welches Fleisch sich für welche Art von Schaschlik am besten eignet und wie man damit umgeht, kann ich mir dennoch vorstellen, dass auch Anfänger mit dem Buch zurecht kommen.
Das ist jetzt recht lang geworden, gell? Liest überhaupt noch jemand mit? Eigentlich wollte ich eine mehrteilige Rezension machen, aber dann dachte ich, sollte sich doch noch einmal so etwas wie Sommer einstellen und jemand den Grill herausholen, dann ist jede Verzögerung fehl am Platz bei diesem Sommer. Daher wird jetzt gegrillt.
Lamm auf Holzspießchen nach afghanischer Art
Da wäre es wieder, mein geliebtes Fleisch im Brot. Schaut trocken aus,
oder? Ist es aber gar nicht. Man nimmt recht fettes
Lammfleisch aus der Keule, das auch nach dem Grillen noch sehr saftig ist. Und der Trick an der Sache: Das Fleisch wird
nicht mariniert, sondern man setzt ein paar Tage vorher Gewürzessig an.
Ich habe wie in der Beschreibung Himbeeressig genommen, ein Schälchen
voll, da hinein habe ich Koriandersamen, schwarze Pfefferkörner, zwei
große Knoblauchzehen und einen Zweig Dille gegeben. Mit Folie abgedeckt im
Kühlschrank ein paar Tage durchziehen lassen.
Am Grilltag das Fleisch auf
Zimmertemperatur kommen lassen, auf gewässerte Holzspieße stecken,
grillen - und zwar direkt, also über der Kohle. Während des
Grillens das Fleisch immer wieder mit dem Essig bestreichen. Nicht
länger als zwei Minuten von jeder Seite grillen! Dabei mehrmals drehen
und immer wieder bestreichen.
Die Spießchen in aufgeschnittenes Fladenbrot legen, Brot zuklappen, festhalten, Spieße rausziehen.
Bei uns gab es dazu Salzflocken, fein geschnittene rote Zwiebel und Sumach, ein säuerliches Gewürz, man könnte aber auch noch etwas vom Gewürzessig über das Fleisch träufeln.
Es war köstlichst! Das Fleisch war durch die kurze Grillzeit saftig, durch den Würzessig und den Zwiebel deftig - hat so richtig nach Urlaub im Süden geschmeckt.
Grillsalat
Jetzt kommt etwas, von dem ich beim Lesen dachte: Bitte wieso komme ich nicht auf solche Ideen? Das ist ja wirklich der einfachste Salat, den ich je zum Grillen gemacht habe!
Man nimmt Gemüse nach Lust und Laune. Hier ein roter Spitzpaprika, ein paar Pfefferoni, eine Stange Lauch, eine Melanzani, auf Spieße gesteckt werden Kirschparadeiser und ungeschälte Knoblauchzehen. Am längsten dauert die Melanzani, also die kommt zuerst auf den Grill. Die Kirschparadeiser brauchen nur kurz, die legt man erst am Schluss dazu. Man grillt alles, bis es schwarz ist.
Dann schichtet man das gegrillte Gemüse in eine Schüssel - Paprika und
Pfefferoni ganz unten hat sich bewährt. So kann man sie gut schälen,
wenn sie übergekühlt sind. Melanzani kann man nach einer Ruhezeit sowieso immer gut schälen. Die Paradeiser werden nicht geschält, die sind aber auch nicht schwarz gegrillt. Gemüse in mundgerechte Stücke schneiden, mit Zitronensaft, Olivenöl und Salz würzen, dazu Kräuter. Ich habe Petersilie, Minze und Basilikum genommen, aber da kann man nach Lust und Laune variieren.
Der Knofi, sag ich euch! Außen schwarz, nach dem Entfernen dieser Hülle aber weich und süß! Ein Gedicht! Und hinterlässt gar nicht so einen schlimmen Nachgeschmack.
Erdäpfelspieße
Die nächste Sache, wo ich dachte, Herrschaftszeiten, wieso habe ich das nicht schon längst gemacht? Erdäpfel kamen bei uns bisher nur in Folie gewickelt auf den Grill. Im Leben wär ich nicht auf die Idee gekommen, Erdäpfel in Scheiben schneiden und aufzuspießen. Und der Clou an der Sache: nach zwei oder drei oder vier Scheiben Erdäpfel kommt ein kleines Stückerl Lardo. Jeder Spieß wird in Alufolie eingewickelt. Es dauert relativ lang, ca. 20 Minuten, dann hat man wirklich ein Gedicht auf dem Teller! Beim Grillen schmilzt der Speck fast weg, durchzieht dabei die Erdäpfeln mit seinem Aroma. Die Erdäpfelscheiben werden an den Rändern dunkel und knusprig. Ein Traum!
Schaschlik aus Schweinefleisch
Wieder braucht man recht fettes Fleisch, ich habe Schopf gekauft, im Buch wird Schweinehals verwendet, den ich leider nicht bekommen habe. Hier wird eine Besonderheit verwendet, nämlich eine umhüllende Marinade. Es ist Speisestärke in der Marinade, die dafür sorgt, dass sich alle Aromen am Fleisch festhalten. Eine wunderbare Idee!
Für die Marinade werden Paradeiser auf einer Reibe zerrieben, den Saft lässt man durch ein ganz feines Sieb oder Gaze abtropfen, sodass eine klare Flüssigkeit zurückbleibt. Es gibt auch hier keine genauen Mengenangaben im Buch, ich schreibe aber auf, wie es sich bei mir für 4 Personen (ca. 650 g Fleisch) bewährt hat.
2 Fleischparadeiser - ca. 150 ml Saft
50 ml Sojasauce
1 EL Maizena
2 TL Paprikapulver
1 TL Honig
1 TL Salz
1 EL Sesamöl
Alle
Zutaten gut verrühren, erhitzen, bis die Marinade dickflüssig wird.
Kalt werden lassen. Das in grobe Stücke geschnittene Fleisch in die
Marinade legen und ein paar Stunden durchziehen lassen.
Das Fleisch abtropfen lassen und auf Spieße stecken.
2 scharfe Pfefferoni, 1 kleine Lauchstange und 2 Knoblauchzehen in ganz feine Würferl schneiden, vermischen.
Das Fleisch direkt grillen, dabei immer wieder mit der restlichen Marinade bepinseln. Gegen Ende des Grillvorgangs die Pfefferonimischung auf die Spieße streuen.
Dieses Rezept ist nicht gar so einfach wie die anderen, die ich getestet habe. Dadurch, dass das Fleisch sehr fett ist, tropft immer wieder Fett auf die Grillkohle, also muss man schnell sein und dann den entsprechenden Spieß umlegen, damit nichts verbrennt. Ich habe auch die Pfefferonimischung erst am Ende des Grillvorgangs aufgestreut, weil beim ersten Versuch ist die Gewürzmischung schlicht heruntergefallen. Die Marinadenschicht wird durch das Bepinseln aber dicker und dann hält später die Gewürzmischung gut auf den Spießen. Das Ergebnis ist auf jeden Fall den Aufwand wert.
Grillpüree
Das war das unglaublichste Püree, das ich jemals gegessen habe. Man wickelt je eine Scheibe Rohschinken um einen mittelgroßen Erdapfel, steckt mehrere solcher eingewickelter Erdäpfel auf Spieße, grillt noch eine ganze rote Zwiebel mit. Bei uns kamen die Spieße auf eine Grilltasse, zum Parfumieren noch ein Stückerl Rosmarin dazu. Nach einer halben Stunde im geschlossenen Kugelgrill waren die Erdäpfeln weich, der Parmaschinken knusprig, die Zwiebel gar. Der Schinken wird zerbröselt, die Zwiebel von ihrer Hülle befreit und in kleine Stücke geschnitten, die Erdäpfel zerstampft, alles miteinander verrührt. Fertig.
Das ganze ist kein samtiges Püree, sondern ein rustikaler Erdäpfelstampf. So gut! Dieses Raucharoma ... *hach*
So, hab ich jetzt genug geschwärmt? Es ist wirklich ein tolles Grillbuch. Mit einem Register! So soll das sein. 248 Seiten stark und voll mit Wissen rund ums Grillen. Man bekommt hier viel mehr von russischer Kultur mit als in anderen russischen Kochbüchern.
Es ist unglaublich, was alles aufgespießt wird: ganze Fische, Entenbrust, Faschiertes (=Hackfleisch), gefülltes Gemüse oder es wird gleich ein ganzer Spieß, auf dem auch Käse steckt, in einen Teigmantel eingewickelt, damit der Käse nicht davonrinnt. Ich bin wirklich restlos begeistert von den vielen, vielen Ideen, die sich in dem Buch finden.
Also bitte, lieber Sommer, komm doch noch kurz vorbei, da wäre noch so viel, das ich gern grillen würde!
Was nicht zu finden ist in dem Kochbuch, ist das Machwerk, das meine Eltern immer produziert haben.;)
Danke, lieber Stocker-Verlag, dass ihr so ein tolles Buch herausgebracht habt und mir noch dazu ein Rezensionsexemplar geschickt habt. Und trotz aller Sympathie wird meine Meinung dadurch nicht beeinflusst.