Mittwoch, 30. Oktober 2013

Ganz hoch oben


Der Turbohausmann und ich waren wieder einmal essen. Laut Falter gibt es in St. Favoriten, "unserem" Bezirk, genau vier Lokale, in denen man gut essen kann. Dazu muss noch gesagt werden, dass unser Bezirk einwohnermäßig so groß ist, dass er Österreichs drittgrößte Stadt wäre, wenn man den Bezirk von Wien abteilen würde. Also wir sind schon essenstechnisches Niemandsland. Aber nicht ganz! Für uns ist dieses Lokal eines von denen, in denen man wirklich gut essen gehen kann. Noch dazu Essen mit grandiosem Ausblick! So hoch oben waren wir: 22. Stockwerk




Zum Essen sei noch vorausgeschickt, dass wir vor einiger Zeit im Wienerberg Kino, das auch in diesem Hochaus untergebracht ist, waren. Bei dieser Gelegenheit sagen wir im Lift einen Aushang: Das Menü Durch den Wind war grad im Angebot. Schon Jahre waren wir nicht mehr dort essen. Nachträglich betrachtet ist dieses Menü auf alle Fälle jeden Cent wert und deutlich günstiger als sonst im Turm zu essen. Es ist ein Überraschungsmenü. Sollte sich also jemand überraschen lassen wollen: nicht weiterlesen!

Im 21. Stock kann man erst einmal die Aussicht mit einem Aperitiv genießen - um diese Jahreszeit ist man sehr allein da oben und der Aufenthalt auf der Terrase gestaltete sich für uns recht kurz. Aber schön über Wien schauen konnte man auf jeden Fall. Wir hatten das Glück, dass der Nebel an diesem Abend vollkommen verschwunden war und wir eine sternenklare Nacht hatten, was in Wien nun nicht gar so oft der Fall ist.



Der Tisch war sehr ungewöhnlich eingedeckt, uns hat es gefallen. Die Gläser liegen auf dem Tisch, das Besteck ist falsch herum und sehr liebevoll und exakt angeordnet. Vom Winde verweht quasi. ;)

Zuerst gab es leicht gesalzene Butter mit ein bissi Chili, dazu einige verschiedene Brotsorten. Butter und Brot waren gut.

Chili hat sich durch das Menü wie ein roter Faden durchgezogen, immer ganz zart vorhanden, nie aufdringlich, nicht brennend scharf, sondern immer so dezent, wie es das jeweilige Gericht gerade verlangt hat.

Und los geht's: Blutorangengelee mit Frischkäse und einem Orangenfilet

Ein netter Starter, der jetzt aber nicht so die große Kochkunst war, aber sicher nicht schlecht.













Nachdem das Menü "Durch den Wind" heißt, bekamen wir Rauch serviert - nicht zum Essen, sondern zum Anschauen. War wirklich eine hübsche Idee zum Start ins Menü. Ich war nur leider nicht schnell genug mit dem Knipsen, denn anfangs war wirklich der ganze Tisch im Nebel.

Da begann nun die wahre Freude: Räucherforelle mit Karottenpüree, Karottensand und Wildkräutern. Großes Kino! Ein ganz feines Püree, perfekt abgeschmeckt, der Karottenstaub dazu und vor allem die Wildkräuter - also es war nur ein einziges Kraut, das war aber toll mariniert mit einer Senfvinaigrette. Ich hab zwar gefragt, was für Blätter das waren, aber leider habe ich da eine ahnungslose, zum Abräumen abkommandierte Jungkellnerin erwischt, die sich nicht auskannte. In Verlegenheit wollte ich sie auch nicht bringen, indem ich sie losschicke zum Nachfragen.


Weiter ging's mit den netten Spielereien: Die Maiscremesuppe befand sich in dem Servierball, der kopfüber auf dem Teller stand. Der Ball wird hochgezogen und die Suppe rinnt in den Teller.

Geschmeckt hat die Suppe ausgezeichnet. Mir war gar nicht klar, dass Kukuruz so gut schmecken kann. Auf der Suppe drauf waren Kokosschaum und Chili-Papadams. Eine sehr gute Kombination!

Da ist es nun, mein erstes Onsen-Ei. Ich dachte immer, das hätte so ungefähr die Konsistenz von verlorenen Eiern, aber das Eiweiß war viel weicher. Nicht glibbrig, auch wenn das hier so aussieht! Zum Glück, denn rohe Austern und solche Sachen bringe in einfach der Konsistenz wegen nicht runter. Dazu gab es Rote Rüben-Püree und Gewürz-Couscous. Dieses Couscous war gut! Ich nehme mal an, dass zumindest Gelbwurz, Chili und Zimt drinnen gewesen sind, auf jeden Fall war es ausgewogen gewürzt und vom Chili war nur ein ganz sachtes Kitzeln am Gaumen zu spüren, sodass das zarte Ei nicht übertönt wurde.

Zwischengang: ein Schäumchen. Ein ganz wunderbar luftig aufgeschlagenes Schäumchen sogar. Ein dezenter Geschmack nach Grapefruit, abgrundet mit einem Hauch Mole, in dem ja auch Chili drinnen ist, was ich aber im Leben nie herausgeschmeckt hätte.

Das Highlight: NT gegartes Kalb mit einem Sößchen, das seinesgleichen sucht, dazu Epü (Erdäpfelpüree) und Kohlsprossen, parfumiert mit Chili-Öl. Das Fleisch so zart, dass man es mit der Gabel zerzupfen konnte.
Wie das Epü gemacht wurde, weiß ich nun, nachdem ich von der Firma Isi eingeladen war: aufgeschäumt im Thermo-Whipp. Eline hatte schon einmal über einen Thermo-Whipp geschrieben, da hatte ich noch gar keine Ahnung, was das sein soll. Ich muss das unbedingt einmal nachmachen, weil das das beste Epü ist, das ist kenne.  Ich hab aber keine Ahnung, wie ich ein Wasserbad stabil auf 70 Grad halten kann, was dazu nötig wäre.

Der krönende Abschluss: Mojito-Eis auf marinierten Ananans mit Ananas-Sand und feschen kleinen Baisers. Auch hier wieder eine ausgewogene Komposition der verschiedenen Texturen und Aromen, ausnahmsweise ohne Chili - oder ich hab den nicht herausgeschmeckt, was natürlich auch sein kann.
Habe ich nun hoffentlich allen den Mund wässrig gemacht? Hingehen, hingehen, hingehen, solange es dieses Angebot mit dem Menü noch gibt. Das sollte man sich nicht entgehen lassen.

Dann kommt als Draufgabe noch ein Foto von der Aussicht, die man gratis dazu bekommt, wenn man im Turm essen geht. Für uns als begeisterte Bewohner von St. Favoriten: Man sieht "unseren" Wasserturm, den ich für eines der schönsten Bauwerke von Wien halte. So schön kann Gebrauchsarchitektur sein.




22 Kommentare :

  1. Danke fürs mitnehmen. Lecker, lecker. Suppe aus einem Servierball kannte ich auch noch nicht. Allerdings sind mir solch Nobel-Lokalitäten auch fremd.

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    1. Das mit der Suppe aus dem Ball kannte ich auch nicht.
      Wir gehen selten essen, aber wenn, dann muss es wirklich gut sein. Und das war so eine Gelegenheit. :)

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  2. Das klingt nach einem fanstatischen Abend und vorallem sieht es auch auf den Fotos so aus :D
    Da waren wirklich einige interessante Gerichte dabei! Und bis auf Ei und Fisch hätte ich auch alles Essen können - herrlich!

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    1. Es war wirklich ein toller Abend. Ich liebe Essen mit Aussicht als Beilage! :)

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  3. Was für ein schöner Abend muss das gewesen sein! Für uns wäre die Anreise leider ein wenig weit...
    Wir wirbelten stattdessen letzten Samstag von 15-19 h in der Küche, um Freunden ein (wesentlich bescheideneres) Menue zu servieren. Auch schön, aber sich einfach mal hinzusetzten und zu genießen - das hatte ich lang nicht mehr. Danke für's "Mitnehmen"!

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    1. Hab dich gern mitgenommen. :)
      An einem Menü für Freunde, die morgen kommen, arbeite ich auch gerade. Das wird auch nicht so elegant sein, aber dafür mit viel Liebe gekocht.

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  4. Da komm ich auch gern mit, virtuell :-)
    Ich hätte alles gegessen, besonders die Nachspeise :-)

    Das du für deine morgigen Gäste mit viel Liebe kochst, das höre ich ganz, ganz besonders gerne :-) und ich glaube das tust du immer,..das sieht man.

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    1. Ich hab tatsächlich auch alles gegessen, obwohl die Nachspeise dann schon hart an der Grenze dessen war, was in mich hineinpasst.

      Mit Liebe koche ich fast immer, aber zugegebenermaßen manchmal einfach, weil's halt notwendig ist. Bevor ich Glumpert essen gehe oder selbiges in die nicht vorhandene Mikrowelle reinschiebe, koche ich auch mal ohne Liebe. ;)

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    2. Aber heute nicht *ganzbreitgrins*

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    3. Stimmt. Und ich bin auch stolz auf mich, wie das gestern geklappt hat. Die Wartezeiten zwischen den Gängen war immer kurz und die sieben Gänge waren alle ratzfatz aufgegessen, daher hat's wohl auch nicht so schlecht geschmeckt. Ich kann mich bloß nicht bewegen heute ... *ächz*

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    4. Ich bin auch bewegungslos,..laufen hab ich heute früh gleich gestrichen sicherheitshalber gggg
      Susi es war alles grandios, hast eh gemerkt,..bis auf die letzte Schupfnudel hab ich alles verputzt :-)
      Danke nochmal für das tolle Essen und den überaus netten Abend!

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    5. Auch dir vielen Dank für den schönen Abend. Ihr seid tolle Gäste gewesen.

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  5. Das muss ja ein toller Abend gewesen sein! Danke für die vielen interessanten Fotos und Kommentare dazu. wichtig ist ja in erster Linie, dass es schmeckt. Sous Vide hat mich sofort fasziniert als ich das bei Master Chef Australia gesehen habe. Aber da fehlt es in der normalen Küche an vielen Dingen. Zum Beispiel das Vakumiergerät. Die Temperatur kann man ja mehr oder weniger gut im Backrohr halten. Karottenstaub wird mit Flüssigstickstoff gemacht. Ich habe einmal so etwas wie Zitronenstaub mit dem Gefrierfach gemacht. Zitrone schälen, einfrieren und dann im gefrorenen Zustand mit einem harten Gegenstand zerschlagen und die Fasern entfernen. Schmeckte toll solange es noch gefroren war. Natürlich zu einem Dessert. Das Onsenei ist schon etwas besonderes. Das Dessert hätte ich mir schon interessanter vorgestellt, denn da kann man sich ja wirklich toll auslassen.

    Liebe Grüße
    Anna

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    1. Liebe Anna,
      da hast du ja schon sehr viel mehr experimentiert als ich. Bei mir wird es wohl immer mehr oder weniger Hausfrauenküche bleiben. Sous Vide find ich wirklich toll und die so gegarten Lebensmittel schmecken immer zum Umfallen gut - wenn es ein guter Koch macht, der sich damit auskennt. Ich denke immer noch, dass es das Um und Auf ist, dass man das Handwerk beherrscht und Freude am Kochen hat. Die besten Geräte nützen nichts, wenn ein Stümper sie bedient.

      Du hast recht: Das Dessert hätte ausgefallener sein können, aber das ist dann wahrscheinlich das I-Tüpfelchen, das fehlt, wenn man ein Sonderangebot in Anspruch nimmt.

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  6. Danke für diesen interessanten Wien Tipp. Da würde ich gerne beim nächsten Besuch mal hin, vor allem, da Du ja offensichtlich ganz begeistert bist. Vielleicht habe ich ja auch einen Tipp für Euch im 4. Bezirk... warte mal, bis wir in Wien anlegen ;-)

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    1. Dann warte ich gespannt! :)
      Falls du Lust hast, mit mir einen Kaffee in Wien zu trinken oder sonst was, melde dich bitte.

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  7. das merk ich mir, ich will ohnehin bald wieder nach Wien, ist ja nur einen Hupfer entfernt ;-)

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    1. Von mir wär das auch nur einen Hupfer entfernt. Nur so, falls du mich sehen wollen würdest. :)

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    2. was für eine Frage! Natürlich tät ich dich sehrsehr gerne sehen, wenn ich in Wien bin (aber du bist dann sicher wieder krank ;-))
      Also: ich melde mich ein paar Tage, bevor wir das nächste Mal hinfahren!

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    3. Ja, bitte melde dich.

      Dieses eine Mal krank sein wird mir für alle Zeiten nachhängen, das merk ich schon. ;)
      Ich schwöre, ich bleib jetzt gesund für immer! :D

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  8. Liebe Turbohausfrau! Vielen Dank für diesen Post. Das ganze Turm Team ist total happy und hat sich sehr über Deinen Post gefreut! Bitte melde Dich bei uns damit wir alle auch Danke sagen können.
    alles Gute lg Markus Schauer & das gesamte Turm Team

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